Bild Mensch & Neander

Handy & Neander
bei der Arbeit

 

Antwort:

Mein Golf liegt 8,4 mm tiefer unter der Straße als Deiner.

 

Neueste Forschungen zeigen, dass die Neandertaler immerhin schlau genug waren, uns – den Menschen – die Tricks zur Anfertigung von Speerspitzen und Klingen zum Schaben abzuluchsen.

 

Damit haben sie in meinen Augen ausreichend Intelligenz bewiesen um überlebensberechtigt zu sein. Abgucken ist die wahre Intelligenz; jedenfalls für große Gemeinschaften. Erfinden ist gut, mit den Augen stehlen ist besser?

 

Dennoch sind sie weg. Vermutlich haben sie in nahrungsarmen Zeiten gelegentlich Neandertaler gegessen, es wurden hierfür Belege – Essensreste gefunden. Das könnte ihnen den Garaus gemacht haben. Menschen haben das nicht gemacht und das bringt uns auf die entscheidende Verbesserung am homo sapiens.

 

Nicht alleine das Essen von Kollegen wird die Ursache gewesen sein, sie konnten nicht lügen.

 

Die Menschen schon, aber auch sie mussten es erst lernen.

 

Auch die Lüge musste sich entwickeln. Sie hat nicht als Lüge ihre Karriere angefangen.

 

Zuerst war sie der Wunsch, den anderen Sippenmitgliedern nicht auf die Nerven zu gehen und den Rausschmiss zu riskieren, was das Lebensende und das Ende der Weitergabe der individuellen Gene bedeutet haben würde. Dieser Wunsch musste sich deshalb parallel zum Wunsch zu nerven entwickelt haben. Nerven ist, ich bin ich und wer seid ihr? Das ist die frühe Form von Individualismus. Ich kann dies und was kannst Du? Wenn man das auf eine 15- 30 Köpfe zählende Gruppe extrapoliert, wird daraus eine Rangordnung. Alle Mitglieder sind in dieser über- bzw. untereinander sortiert. Soweit man aus den Menschen von heute schließen kann, ist das der zentrale Unterschied zu allen anderen Spezien. Wir wollen uns um absolut jeden Preis und jeden Scheiß von anderen unterscheiden. Und wenn die Eine Sternchen auf den Fingernägeln hat, muss die Andere Marienkäferchen drauf kleben. Mein „Speer“ ist aber einen Millimeter länger als Deiner. Usain Bolt  rennt die Hundert Meter ein Tausendstel Sekunden schneller als der Rest der Welt. Alles, wirklich alles, wird von uns gemessen und geprahlt aufgezählt. Klar wird das Bedürfnis, bei 7,5 Milliarden Köpfen noch eine halbwegs ordentliche Rangliste aufzustellen, ein sehr feines sein, aber mit Tausendstel und Millionstel kriegen wir das hin.

 

Eben so: Mein Golf liegt 8,4 mm tiefer unter der Straße als Deiner.

 

Dieser elende und überbordende Drang, individuell zu sein, fand alleine keinen Halt.

Die Typen, die nur den individuellen Drang und Zwang hatten, gibt’s nicht mehr – sie nervten und sind rausgeschmissen worden. Klar kamen aus Kamen immer wieder Neue nach, aber die wurden eben auch rausgeschmissen. Wie überall im Über-All, wartet jede Kraft, jede Eigenschaft, bis sie ein würdiges Pendant findet und dann erst können sich beide verfestigen. Zum Individualismus kam die Zusatzeigenschaft, das Lügenupdate 1.0. Dann hat’s endlich funktioniert mit dem Individualismus.

 

Nicht vergessen, die sprachen da noch nicht, die dachten nur und sie machten nur Zeichen – vorzugsweise Grimassen. Anfangs müssen sie böse Muskelkater im Gesicht gehabt haben. Da hat die Evolution so lange nachgerüstet, bis wir Tag und Nacht ein Gesicht nach draußen zeigen können, das ganz anderes präsentiert, als sich innen wahrlich abspielt.

 

Heutzutage wird drauf losgequasselt und das geht so. Ich bin besser als du, kann dich aber gut leiden – glaub mir. Kinder können das perfekt: Ich hab nichts gemacht – er war’s. Ich war’s nicht – warum glaubst du mir nicht? Und bis heute wirken die Gesichter, die sie machen tief in unserem Konsensherz, in beiden Kammern.

 

Der massive Wunsch herauszuragen, was der gesamten Menschheit durch Drang und steten Antrieb für vorwärts immer, rückwärts nimmer diente, musste eine Erträglichkeitsbremse bekommen, sonst hätte sich der Haufen Anfänger selbst zerlegt und es wäre nie zu Massengesellschaften gekommen.

 

Der kleine Kick, sich in der Rangordnung in winzigsten Schritten nach vorne werkeln zu können, wurde im Paarlauf mit dem „ich-habs-nicht-böse-gemeint-Gen zum absoluten Renner.

 

 Darf es etwas mehr sein? von der Lügerei.

 

Artikel focus-online. 3.1.2013 Wie Sie selbst raffinierte Lügner entlarven

 

http://www.focus.de/wissen/mensch/psychologie/tid-28707/aengstlich-hoelzern-widerspruechlich-selbst-raffinierte-luegner-verraten-sich_aid_885487.html