Bild Mensch & Neander

Handy & Neander
bei der Arbeit

 

Er hat mir mal die Tür aufgehalten, vor Jahren im Ristorante La Cascina in Grunwewald. Ich war auf dem Weg dahin, um zu essen und da rannten viele aufmerksam guckende Leute um das Restaurant herum. Irgend so ein Riese war vor mir an der Tür, drehte sich spontan um und hielt mir die Einganstür freundlich lächelnd auf und hat einen netten Spruch ablassend nach mir seinen Platz angesteuert. Helmut halt.

 

Ich finde das immer noch bemerkenswert und habe in den Jahren gelernt, dass wir nicht eine sondern viele Persönlichkeiten haben. Diese sind alle nicht originär, sondern reflektiert aufgebaut. Unser Mensch-Programm versucht immer zuerst Zusammenhalt, Absicherung, Schutz in der Truppe, Sippe, Partnerschaft, Klasse, Büro, Fabrik, Verein, Mannschaft, Anhängerschaft, Protestgemeinde, in sozialen Medien, in der eigenen Partei und besonders raffiniert als Anführer, der Mehrheiten braucht und einfach überall. Helmut Kohl ein Mensch und, und, und, und, und …

 

Jetzt lobhudeln sie wieder, was das Zeug hält. Der Effekt ist der gleiche wie oben. Der Druck ist so stark, dass wir selbst Verstorbenen wegen Hübschheiten auskramen, die auf uns selbst ein warmes Licht werfen sollen, quasi als Rückversicherung für die späteren uns selbst betreffenden Grabreden. Klar ist das absurd, aber genau so sind wir gebaut. Es gibt uns gar nicht wirklich, nur in der eigenen Zusammensetzung aller Einschätzungen von anderen Menschen, die uns begegneten.

 

Wir wissen gar nicht genau, wer oder was das Gegenüber von uns denkt. Wir raten mehr.

 

Das geratene wird als Reflexion benutzt und wir sind dann freundlich, oder abweisend in tausend Varianten. Unsere nach außen reflektierten Verhaltensweisen werden im Bündel zu unserer Selbsteinschätzung verarbeitet.  Nun ist klar, warum wir uns selbst kaum kennen und dann natürlich auch enorm viel anderen gegenüber falsch machen. Es lässt sich nicht ändern, aber aus all dem Chaos vermessen wir uns selbst zu einer extrem schwer beschreibbaren „Persönlichkeit“.

 

Ganz innen, in uns drin, sitzt dann noch der Evo, der eine ganz eigene und eine ganz andere „Ansicht“ von uns selbst hat. Die lernen wir nur kennen, wenn es eng oder ganz eng wird. Wenn er kurzzeitig die Herrschaft übernimmt, nennen ihn Juristen, den der im Affekt handelt. Er ist da, er ist fest, er ist nicht beeinflussbar, er ist Chef und arbeitet anonym im Hintergrund. Kennt ihr Eueren?  Er ist nicht redselig, er zeigt nur blitzartig so was wie Bilder, immer nur ganz kurz. Achtet darauf, dann lernt ihr ihn ein wenig kennen. Seine Meldungen heißen bei uns Erdlingen Einfälle.

 

Das ist mein Kommentar zu "Trauerakt für Helut Kohl" in der Zeit von heute

 

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-06/trauerakt-helmut-kohl-live